Sie ist das Insekt des Jahres 2019 in Deutschland, Österreich und der Schweiz – und lebt auch in unserer Stadtwildnis. Anders, als der Titel ahnen lassen könnte, handelt es sich nicht um die weibliche Form des Teufels. Ganz im Gegenteil: Unsere Wildnisbewohnerin des Monats ist Osmia bicornis, die Rostrote Mauerbiene. Sie zählt zu den Wildbienen, von denen es in Europa etwa 700 Arten gibt. Sie fühlt sich in sehr vielen Lebensräumen zu Hause: Waldränder, Lichtungen, Steinbrüche und Streuobstwiesen sind nur einige Beispiele. Häufig ist die Rostrote Mauerbiene auch dort zu finden, wo Menschen leben, denn sie nutzt sehr gerne Hohlräume in Löss- und Lehmwänden oder auch Trockenmauern, um ihre Brutnester zu bauen. Die etwa zehn Milimeter lange Biene erinnert von ihrer Körperform her an eine schlanke Hummel. Ihr Namenszusatz „bicornis“ bedeutet „zweihörnig“ und leitet sich davon ab, dass die Weibchen zwei nach vorne gerichtete Hörner auf dem Kopfschild tragen – sie dienen zum Ernten von Pollen. Die schwarze Gesichtsbehaarung und eine gelbrote Bauchbürste sind weitere Erkennungsmerkmale der Weibchen, während sich die Männchen optisch durch eine weiße Gesichtsbehaarung und lange Fühler auszeichnen. Was ihren Speiseplan betrifft, sind Rostrote Mauerbienen nicht sehr wählerisch: Fast alle Blütenpollen werden von ihr gesammelt und von den weiblichen Bienen zur Füllung der Nisthöhlen verwendet. Dort entwickeln sich die Bienenlarven bis zum Spätsommer zur erwachsenen Biene. Im darauffolgenden Frühjahr nagen sie sich dann aus dem verschlossenen Nest. Da die Männchen zuerst schlüpfen, erwarten sie die später schlüpfenden weiblichen Bienen dann bereits zur Paarung. Für ihren „Balztanz“ verwenden die Männchen chemische Lockstoffe, durch die auch Informationen über ihre regionale Herkunft vermittelt werden. So werden Weibchen angelockt, die gut an die lokalen Verhältnisse angepasst sind. Pro Jahr entwickelt sich eine neue Generation der Rostroten Mauerbiene.
Das „Insekt des Jahres“ wird seit 1999 durch ein Kuratorium aus Insektenkundlern und Vertretern wissenschaftlicher Einrichtungen ausgewählt. In Anbetracht des massiven Insektensterbens verwundert es nicht, dass die Wahl auf eine Wildbiene gefallen ist. Auch, wenn wir die Rostrote Mauerbiene in der Stadtwildnis finden können und sie bisher nicht als gefährdet gilt, gibt es gute Gründe, um sie und ihre Gefährten mehr als besorgt zu sein und sich stets bewusst zu machen: Wir alle brauchen Insekten wie die Rostrote Mauerbiene – ihr und ihren Artgenossen das Überleben zu ermöglichen, ist eine Aufgabe, die uns alle angeht.