Wildnisbewohnerin des Monats: Die schwarz-gelbe Schwebende

31. Juli 2020, admin - Frankfurt

Rund um*s Jahr sind die Experten des Wildnis-Projektes auf den Flächen unterwegs und untersuchen Pflanzen und ganz unterschiedliche Tiergruppen, von Wildbienen bis Fledermäusen. Aber trotzdem gibt es immer noch Organismen, mit denen sie sich nicht gut auskennen. Dazu gehören die Schwebfliegen, die im Rahmen des Projektes eigentlich nicht untersucht werden. Trotzdem sind die natürlich auch da!

Die Schwebfliegen sind neben den bekannteren Bienen die wichtigste Bestäubergruppe in Mittel-Europa. Ihren Namen tragen sie wegen ihrer scheinbaren Fähigkeit zu schweben – sie sind in der Lage, in der Luft auf der Stelle zu stehen. Dazu bewegen sie die Flügel mit so hoher Frequenz, dass sie für das menschliche Auge fast unsichtbar werden.

Wegen ihrer schwarz-gelben Zeichnung erschrecken sich viele Menschen vor den Schwebfliegen und das ist durchaus so gewollt! Denn Schwebfliegen sind völlig harmlose Pollen- und Nektarfresser, die Feinden wenig entgegenzusetzen hätten. Deshalb ahmen sie die Zeichnung der Wespen nach und versuchen, gefährlich auszusehen. Diese Täuschung bezeichnet man als Mimikry. Anhand der fehlenden Wespen-Taille lässt sich die Schwebfliege aber leicht überführen.
Allerdings ist Schwebfliege ist nicht gleich Schwebfliege. In Deutschland soll es etwa 450 Arten geben, die zwischen 5 mm und 2 cm groß sind. Da braucht es dann doch Experten, oder?

Auf einer unserer Wildnis-Flächen haben wir Schwebfliegen mit einem Handy mit der App "iNaturalist" fotografiert. Das geht am besten morgens, wenn die Tiere noch träge sind. Die Bilder konnten weltweit angesehen werden und schon bald darauf fanden sich Kenner, die die Art bestimmen konnten: Es handelt sich um die Zweiband-Wiesenschwebfliege (Epistrophe elegans).
Diese häufige Art fliegt noch bis September auf den Wildnis-Flächen. Sie mag Hecken und Waldränder, aber auch Gärten. Ihre Eier legt sie gerne in der Nähe von Blattlauskolonien ab, denn der Nachwuchs ernährt sich von Blattläusen. Damit gehört die Art im Garten zu den besonders gern gesehenen Gästen.

Dank der Menschen, die zwar nie auf unserer Wildnis-Fläche waren, sich aber mit Schwebfliegen auskennen, kennen wir nun auch ihren Namen. Und wir werden die Zweiband-Wiesenschwebfliege mit ihrer besonderen Zeichnung auch zukünftig wiedererkennen. Das hat übrigens auch schon bei vielen anderen Arten funktioniert, die wir auf den Flächen fotografiert haben, zum Beispiel bei Wanzen. So erfahren wir noch viel mehr über die Vielfalt der Flächen.
Das Schöne ist: Jeder kann mitmachen und mit fotografierten Pflanzen, Tieren oder Pilzen dazu beitragen, dass die Vielfalt unserer Wildnis-Flächen immer besser erforscht wird!

Hier geht es zu iNaturalist...


Wildbienen auf den Wildnisflächen – Hummeln am Frankfurter Nordpark Bonames

06. Juli 2020, admin - Frankfurt

Ein Gastbeitrag von den „Zottelbienen“: Stephanie Lehrian, Julika Exner und Johanna Kiefer

Ist man jetzt im Frühsommer bei gutem Wetter unterwegs auf der Wildnisfläche am Bonameser Nordpark in Frankfurt, kann man es so mancherorts summen und brummen hören. Selbst bei kühlerer Witterung können Beobachtungen von Bienen gemacht werden - genauer gesagt von bestimmten Wildbienen. In Deutschland gibt es über 560 Wildbienenarten! Die Honigbienen, an die die meisten bei dem Begriff Biene denken, ist nur eine gezüchtete Art, die bei uns in Deutschland als Haustier lebt.
Hummeln, die dicken Brummer, gehören auch zu den Wildbienen. Ebenso wie die Honigbiene leben sie nicht solitär (alleine), sondern bilden größere Völker, die bis zu 600 Individuen umfassen können. Im Gegensatz zu den Honigbienen lebt das Hummelvolk nur einen Sommer lang, es überwintern nur die befruchteten Hummeljungköniginnen. Gemeinhin glauben viele Leute, Hummeln könnten nicht stechen - ein Irrtum! Hummeln sind allerdings glücklicherweise sehr friedfertig, sodass man keine Angst vor einem Stich haben muss. Wenn es dann doch einmal dazu kommt, bleibt den Hummeln oft keine andere Wahl: Meist tritt man barfuß auf sie oder zerquetscht sie aus Versehen beim Hinsetzen, was einen Stich zur Verteidigung zur Folge hat. Ihr Stachel kann die menschliche Haut genauso durchdringen, wie der Stachel der Honigbiene.
Die bekannteste und häufigste Hummelart bei uns ist die Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris), die auf den Wiesen und Randstreifen des Nordparks gut beobachtet werden kann. Die Erdhummel ist schwarz und hat ein weißes Hinterleibsende. Sowohl auf der Brust als auch auf dem Hinterleib ziert die Dunkle Erdhummel ein dunkelgelber Querstreifen. Die Wildnisfläche am Nordpark ist ein idealer Ort für Bombus terrestris, wie sie wissenschaftlich genannt wird, denn sie bevorzugt offene Flächen und lichte Wälder.

Hummeln sind im Vergleich zu anderen Bienenarten allgemein früher im Jahr und auch bei kühleren Temperaturen anzutreffen. Dies ist möglich, da sie eine pelzige Behaarung und einen kräftigen Körperbau mit starken Muskeln besitzen. Erdhummeln gehören zu den wichtigsten Bestäubern. Sie sind bei der Pollenwahl nicht sehr wählerisch und besuchen daher unterschiedlichste Pflanzen. Die Nahrungspflanzen reichen von Klee über Brombeeren bis hin zu Äpfeln. Man nennt dieses Verhalten polylektisch - auf den Wiesen des Nordparks kann man es wunderbar beobachten! Eine einzelne Hummel fliegt nicht immer zur gleichen Pflanzenart, wie es die blütenstete Honigbiene tut.
Neben dieser staatenbildenden Wildbienenart gibt es zahlreiche solitäre, also nicht im Volk lebende Arten, wie beispielsweise die Sandbienen, die mit einer Art hier am Nordpark vertreten sind. Von dieser Art berichten wir in unserem nächsten Beitrag.


Wildnisbewohner des Monats April: Ein verkannter Generalist

23. März 2020, admin - Frankfurt

Wie es der Buntspecht schafft zum weitverbreitetsten Specht in Deutschland zu werden. Sein Handwerkszeug, seine Tricks

Ein Gastbeitrag von wildnisbotin.de

Bei uns in Deutschland leben zehn Spechtarten: Buntspecht, Grünspecht, Schwarzspecht, Mittelspecht, Kleinspecht, Grauspecht, Weißrückenspecht, Blutspecht, Dreizehenspecht, Wendehals. 

Der häufigste unserer Spechte ist der Buntspecht. Ein amselgroßer farbenfroher, schwarz-weiß-roter Trommler. Sein Bestand in Deutschland wird auf 600.000 - 800.000 Brutpaare geschätzt. Damit zählt er zu den ungefährdeten Vogelarten, europaweit mit ansteigender Tendenz.

Buntspechte sind deshalb so weit verbreitet, weil sie in ihren Ansprüchen an Lebensraum und Nahrung flexibel und wenig spezialisiert sind. Abgesehen vom notwendigen Bestand an Bäumen (insbesondere Totholz) zur Nahrungssuche und zum Höhlenbau toleriert der Buntspecht viele verschiedene Lebensräume - vom innerstädtischen Hinterhofgarten bis zum Urwald im Nationalpark. Wie so oft im Leben werden diese vermeintlich alltäglichen Erscheinungen dann nicht mehr so genau betrachtet. Das möchten wir beim Buntspecht nun ändern, denn er hat so einiges zu bieten: Sozialen Wohnungsbau, perfide Jagdtricks, Spechtschmiede, eingebaute Atemschutzmaske, Vielmännerei, um nur mal einige Stichworte zu nennen. Nun aber ganz systematisch der Reihe nach.

Das für uns auffälligste Merkmal des Buntspechts ist das Trommeln. Beide Geschlechter trommeln (Männchen etwas schneller als Weibchen). Warum machen sie das eigentlich? Hauptsächlich zum Höhlenbau, zur Kommunikation, zum Abstecken des Reviers und zum Anlocken von Partnern. 

Spechte sind mit ihrem kräftigen Meißelschnabel sehr begabte Zimmerleute. Sie stellen aber auch hohe Anforderungen an die Qualität ihrer Wohnhöhle. Darum werden oft viel mehr Höhlen gebaut als benötigt, bis man sich dann für die eine passende Luxusimmobilie entscheidet. Auch die, nach circa zweiwöchiger Bauzeit, bezogene Höhle wird gerne noch erweitert und umgebaut - insbesondere, wenn der Platz für die Nachkommen doch zu eng wird. Ein Nest, im eigentlichen Sinne, wird nicht gebaut. Holzspäne bleiben auf dem Boden liegen, als weiche, saugfähige Unterlage für die Jungen. Das morsche Holz wirkt wärmedämmend wie Styropor. Während der Bauphase profitieren die Spechte auch von einem interessanten Atemschutzmechanismus: Damit der beim Hämmern entstehende Holzstaub die Atemöffnungen nicht verstopft, sind die Nasenlöcher mit speziellen kleinen Federn bewachsen - eine natürliche eingebaute Atemschutzmaske sozusagen. Spechthöhlen werden übrigens nicht nur für die Jungenaufzucht, sondern ganzjährig als Schlafstätten genutzt. Auch während der Familienphase nutzt das Weibchen eine andere Höhle zum Schlafen und überlässt dem Männchen die nächtliche Betreuung der Bruthöhle.

Von der großen Spechtleidenschaft zum Höhlenbauen profitieren auch andere Waldbewohner: Durch die vielen überzähligen Höhlen des Buntspechts und seiner Verwandten finden auch Meise, Sperlingskauz, Hohltaube, Eichhörnchen, Siebenschläfer, Fledermaus, Wildbienen und andere ein passendes Zuhause.

 

Wenn im April, nach 14tägiger Brutzeit, die 4-6 Jungvögel schlüpfen, beginnt für die Spechteltern eine aufreibende Zeit. Keine andere Vogelgruppe bringt so wenig entwickelte Junge hervor wie die Spechte. Beide Eltern müssen eine sehr intensive Brutfürsorge betreiben. Die jungen Spechte nutzen zusätzlich gemeinsam eine "Wärmepyramide" genannte Technik: Sie hocken zusammengekauert am Höhlenboden und ein Spechtküken legt seinen Kopf auf das andere.

 

In Sachen Nahrungsbeschaffung für sich und seinen Nachwuchs ist der Buntspecht ein wirkliches Multitalent. Er ernährt sich in Frühjahr und Sommer überwiegend von Larven, Würmern, Jungvögeln, Insekten, Raupen, Ameisen und Käfern. Im Herbst und Winter stehen dann zunehmend Sämereien, Nüsse und Beeren auf der Speisekarte. Im Frühjahr nutzt er zusätzlich Baumsaft als pflanzliche Nahrungsergänzung. Der findige Vogel schlägt eng nebeneinander liegende Löcher in einer waagrechten Linie in die Baumrinde (Ringelbäume). Den hervortretenden Saft leckt er auf und gleichzeitig auch die vom süßen Saft angelockten Insekten. Auch andere Vögel, Eichhörnchen und manchmal sogar Hirsche schließen sich dem Trinkgelage gerne an. Zu den sehr perfiden Jagdtricks in seinem Repertoire gehört eine Methode, mit der er kleine Jungvögel (zum Beispiel Meisen) erbeutet. Da er zumeist nicht in die Bruthöhlen der kleineren Vögel gelangen kann, wird er zum Angler. Ein Wurm wird verführerisch vor das Einflugloch des Objekts der Begierde gehalten. Wenn der Jungvogel danach schnappt, schnappt der Buntspecht sich den Jungvogel - so raffiniert kann der Buntspecht sein. Seine handwerklichen Fähigkeiten kommen dem schlauen Vogel auch bei der Nahrungssuche zugute. Insbesondere im Winterhalbjahr greift er, mangels Insekten und Würmern, gerne auf Nüsse und Zapfen zurück. Um an die innenliegenden Samen zu gelangen nutzt er sogenannte "Spechtschmieden". Dabei legt sich der Buntspecht eine maßgeschneiderte Werkstatt an, indem er natürlich vorhandene Spalten und Gabelungen so bearbeitet, dass das Zielobjekt dort passgenau sitzt - wie in einer fein justierten Schraubzwinge. Außer dem Buntspecht können das nur wenige Vögel. Die Vorgehensweise kann man schon fast als Werkzeugeinsatz betrachten, und sie zeugt von der großen Findigkeit des Schmiedemeisters. Für die Umsetzung solcher speziellen Handwerkskünste benötigt der Vogel, außer einem schlauen Köpfchen, auch spezielle körperliche Fähigkeiten. Hilfreich sind für ihn sein starker Stützschwanz (fast ein dritter Fuß) und die Kletterfüße mit Wendezehen, die jeweils nach oben oder unten gedreht werden können. 

 

Um nun allen diesen Besonderheiten noch einen besonderen Glanzpunkt hinzuzufügen: Buntspechtdamen frönen der Vielmännerei! Etwa 20 Prozent der Weibchen legen sich eine Zweitfamilie zu. Dies funktioniert deshalb so gut, weil Buntspechtmännchen hingebungsvolle Familienväter sind, die sowieso einen Großteil des Brutgeschäfts und der Jungenaufzucht übernehmen. Wenn Frau Buntspecht also Lust auf eine Affäre verspürt, dann sucht sie sich einfach ein jüngeres, unerfahrenes Männchen. Sie beteiligt sich am Brutgeschäft und der Pflege beider Gelege. Später überlässt sie die Aufzucht der Zweitbrut dem Männchen.

 

Buntspechte bieten uns durch ihr häufiges Vorkommen oft Gelegenheiten zur Beobachtung. Wir sollten das nutzen. Es gibt viel zu entdecken!


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