Unser Team stellt sich vor

Avatar of Pia Ditscher Pia Ditscher - 24. August 2018 - Hannover

Was ist eigentlich die "Sozialwissenschaftliche Projektbegleitung"?

Dominique Charlotte Breier, Leibniz Universität Hannover, ist für die sozialwissenschaftliche Begleitung unseres Projektes verantwortlich. 

Dominique – erklär uns doch bitte kurz, wofür du bei „Städte wagen Wildnis“ zuständig bist.

„In unserem Projekt ist es nicht nur wichtig, die ökologischen Veränderungen, die städtische Wildnis mit sich bringt zu erforschen. Uns interessiert auch, wie es um die Bewertungen, Einstellungen und Nutzungen der Projektflächen durch Nutzer und Anwohner steht. Darin liegt dann auch mein Aufgabenbereich: Ich bin zuständig für die sozialwissenschaftliche Evaluation, in der prozessbegleitend alle zwei Jahre quantitativ ausgerichtete Befragungen von Nutzern und Anwohnern ausgewählter Projektflächen durchgeführt werden.“

 

Was genau bedeutet in diesem Fall „quantitativ“?

Quantitativ bedeutet im klassischen Sinne etwas mithilfe von Zahlen (numerisch) zu messen, in diesem Falle Wahrnehmungen, Einstellungen und Nutzungen der Wildnis-Projektflächen. Diese können wiederum dazu genutzt werden, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszufinden, z.B. zwischen den jeweiligen Projektflächen und Städten oder verschiedenen Nutzergruppen. Quantitative Methoden gehören damit neben qualitativen Verfahren zu den zwei Bereichen der empirischen Sozialforschung. Sie sind ein wichtiges Instrument, um insbesonders große Mengen an Personen in kurzer Zeit befragen zu können. Im Gegensatz dazu sind qualitative Methoden offene Forschungswerkzeuge, die nicht vorher festgelegte Antwortmöglichkeiten benutzen. Beispielsweise in leitfadengestützten Interviews können Interviewpartner offen und individuell auf Fragen reagieren.

In der Praxis sind sowohl quantitative als auch qualitative Verfahren anzutreffen. Während soziale Phänomene, die bisher wenig erforscht wurden, meist zunächst mithilfe qualitativer Verfahren (an einer kleinen Menge von Personen) untersucht werden, bieten quantitative Verfahren die Möglichkeit, die daraus gewonnen Erkenntnisse durch groß angelegte Befragungen zu überprüfen.

 

Worum geht es in diesen Befragungen und wofür sind sie gut?

Die Befragungen übernehmen eine wichtige Kontrollfunktion: Wie bewerten die Nutzer und Anwohner die städtische Wildnis, wie nutzen sie die Flächen, was verbinden sie mit Wildnis und was wünschen sie sich? Die regelmäßige Wiederholung der Befragungen, die eine sogenannte Längsschnittstudie auszeichnet, kann Aufschluss darüber geben, wie sich Einstellungen und Nutzungen im Verlauf des Projekts verändern und wir können wichtige daraus gewonnene Erkenntnisse an die städtischen Partner des Vorhabens weitergeben.
Von den Ergebnissen profitieren folglich alle: Die städtischen Partner können daraus gegebenenfalls neue Maßnahmen ableiten, die wiederum den Nutzern und Anwohnern zugutekommen und außerdem einen zukünftigen Einklang zwischen städtischer Wildnis und sozialer Nutzung sicherstellen.“

 

Wie laufen die Befragungen auf den Flächen ab? Wird einfach jeder gefragt, der vorbeikommt?

„Die ersten Befragungen habe ich zusammen mit einigen Mitarbeitern in den Sommermonaten 2017 in allen am Projekt beteiligten Städten durchgeführt. Nutzer wurden direkt auf den Flächen mithilfe von Tablet PCs und einer Onlinebefragungssoftware per Face-to-Face Interview befragt, Anwohner in einem Radius von fünfhundert Metern um die jeweiligen Flächen herum per Briefkasteneinwurf zur Teilnahme an einer Online-Befragung aufgefordert. Alle Nutzer und Anwohner zu befragen, wäre ziemlich schwierig – deshalb mussten wir eine Auswahl treffen. In der quantitativen empirischen Sozialforschung funktioniert das mittels einer sogenannten „Stichprobe“ – in unserem Fall eine „einfache Stichprobe“: In zuvor festgelegten Zeiträumen wurde jede dritte Person auf den Flächen angesprochen und befragt. Ziel war es, mindestens 50 Personen je Fläche zu erreichen.“

 

Und was habt ihr herausgefunden?

„Zu viel darf ich noch nicht verraten. Die Ergebnisse werden aber zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir jetzt am Anfang des Projekts schon viele positive Stimmen zu städtischer Wildnis feststellen konnten, obwohl das Projekt „Städte wagen Wildnis“ an sich unter den Befragten bisher noch sehr unbekannt ist. Die einzelnen Projektflächen mit ihrer individuellen Lage im städtischen Raum und sehr unterschiedlichen Qualitäten spiegeln sich zudem auch im Nutzerverhalten und unterschiedlichen Zielgruppen sowie Einstellungen zu Wildnis wieder. Daraus können wir auch viel für unsere zukünftige Arbeit im Projekt mitnehmen.“

 

Es sind ja sicherlich nicht alle Leute bereit, an einer Befragung mitzumachen. Welche Reaktion ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

„Aus meiner beruflichen Erfahrung bin ich es bereits gewohnt, dass nicht alle Personen an einer Befragung teilnehmen wollen. Heute gibt es ja zu allen Themen Befragungen, egal ob zu meiner Kundenzufriedenheit, politischen Meinungen oder Mobilität. Glücklicherweise konnten wir aber die ganz große Mehrheit der Personen für die Teilnahme an den Befragungen gewinnen. Ich erinnere mich selbst meist an die schönen Situationen bei Befragungen, vor allem, wenn ich Personen begegnet bin, denen Umweltschutz sehr am Herzen liegt. Wenn sie dann zufällig bei der Befragung das erste Mal von unserem Projekt gehört haben und sofort Feuer und Flamme dafür waren, hat mich das besonders gefreut.“

 

Was war das „Wildeste“, das du bisher in deinem Job erlebt hast?

„Da muss ich mal nachdenken. Wild ging es auf jeden Fall in unserer ersten Befragungsrunde zu, als wir zu Beginn einige technische Hürden überwinden mussten. Der wildeste Moment war für mich wahrscheinlich der erste Besuch des Nordparks in Frankfurt-Bonames. Gefühlte 15 Minuten vom Stadtzentrum Frankfurts mit all den Hochhäusern und Glasfassaden entfernt, taucht man dort auf einer bereits „verwilderten“ Fläche ganz plötzlich in eine ganz andere Welt ein. Auf mich wirkte es wie ein verwunschener Ort, mit wild wachsenden Bäumen, Sträuchern und einem kleinen Seitenkanal der Nidda, die am Nordpark entlang fließt. Für mich hat dieser Ort etwas unheimlich Schönes und Beruhigendes.“

Was wünschst du dem Projekt für die kommenden Jahre?

„Ich wünsche mir, dass wir mit unserem Projekt einen wichtigen Beitrag zu mehr biologischer Vielfalt leisten und damit als Impuls für viele andere Städte und Gemeinden in Deutschland und international dienen können. Außerdem wünsche ich mir, dass mehr Menschen durch unsere Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit ein größeres Bewusstsein für die Wichtigkeit von wilden Grünflächen und Umweltschutz bekommen. Gerade die Zusammenhänge zwischen unserem Handeln und den Auswirkungen auf Umwelt und Klima sind immer noch viel zu wenigen Menschen bewusst.“

Vielen Dank für die Einblicke! Wir wünschen dir weiterhin viel Spaß am Projekt und viel Erfolg mit deiner Arbeit!

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