Ein Heim für Bienen

Avatar of Pia Ditscher Pia Ditscher - 24. August 2018 - Frankfurt

Von Willem Warnecke & Frieder Leuthold

Aktuelle Diskussionen rücken das Insekten- und insbesondere Bienensterben verstärkt ins öffentliche Bewusstsein: Kontrovers debattiert werden dabei der objektiv messbare Umfang des Sterbens, seine Ursachen (Stichwort: Glyphosat-Streit) wie auch die Folgen für Ökologie und (hinsichtlich ausbleibender Bestäubung) für die Landwirtschaft. Insektenhotels zu bauen ist im Zuge dieser Thematik seit einigen Jahren „in“: Gebaut werden Nist- und Überwinterungshilfen sowohl für private oder schulische Gärten als auch durch Initiativen für den öffentlichen Raum. Bauresultat sind oftmals „handliche“, dekorative Elemente, etwa zum Aufhängen an Hausfassaden.

Die Projektflächen von „Städte wagen Wildnis“ liefern etwas größere Formate – teilweise ganz nebenbei. Auf dem Gelände an der Altdeponie „Monte Scherbelino“ etwa wurden 2017 im Rahmen der vom Senckenberg Forschungsinstitut durchgeführten Biotopkartierung immerhin 47 Wildbienen-Arten gezählt! "Wildbienen" – damit sind nicht einzelne Honigbienen gemeint, die sich (wie etwa Maja und Willi) vom hektischen Leben im Stock abgesetzt haben, sondern der Ausdruck zielt mit uneinheitlichen Grenzen auf jene Bienen- sowie einige Wespenarten ab, die einfach nicht zu den Honigbienen (neun Arten der Gattung Apis) gehören. Deren Farb- und Formenvielfalt ist grandios: Es gibt etwa phosphorgrünmetallic-glänzende, violettschwarze oder nikolausrote. Manche tragen dichte „Pelze“, ulkige „Hosen“ oder hippe „Bärte“. Die meisten von ihnen leben nicht in Staaten, sondern solitär, und haben keinen Stachel oder zumindest keinen, der die menschliche Haut durchdringen kann. In Deutschland sind zwar insgesamt an die 600 Wildbienenarten vertreten – aber die Vielfalt am „Monte“ kann sich durchaus sehen lassen! Zumal dort viele gefährdete oder aber hochspezialisierte Arten auftreten, etwa die Buckel-Seidenbiene (Colletes daviesanus) oder die Platterbsen-Mörtelbiene (Megachile ericetorum).

Eine Vielzahl der „Wilden“ hat eine alte Bausandhalde für sich in Beschlag genommen und sie in einen summenden und brummenden Hügel verwandelt, etwa die Bärtige Sandbiene (Andrena barbilabris) oder die Riesen-Blutbiene (Sphecodes albilabris). Die ungestörte Sukzession von Bäumen in der Nachbarschaft und von Pionierpflanzen direkt auf dem Sandhaufen wird dieses Areal aber in absehbarer Zeit verändern und es in etlichen Facettenaugen damit weniger attraktiv erscheinen lassen: weniger Freifläche, mehr Schatten, (dadurch) feuchteres, stärker durchwachsenes Substrat… der Wohlfühlfaktor wird für einige Anwohner bald zu wünschen übrig lassen!

Aber es gibt neue Möglichkeiten zum „Wohnungsbau“: Auf der Projektfläche, die jahrzehntelang im Rahmen der Sanierung der Altdeponie genutzt wurde, sind ein halbes Dutzend Geröllhaufen verblieben, gebildet aus Schutt- und Bruchsteinen von Fußball- bis Waschmaschinengröße. Die Haufen sind durchaus nützlich für die Wildnis, die entstehen soll, denn sie bieten mit ihren Hohlräumen und Sonnenplätzen Lebensräume für Reptilien und Kleinsäuger. Der größte dieser Haufen ist etwa 40 Meter lang, 20 Meter breit und bis zu 10 Meter  hoch – durchaus groß genug, um noch ein paar weiteren Bewohnern Platz zu bieten, ohne dass sich die Alteingesessenen bedrängt sehen müssten.

Um also auf der Projektfläche gar nicht erst Wohnraumknappheit entstehen zu lassen, wurde entschieden, hier Naturentfaltung doch ein klein wenig zu lenken: Im Frühjahr 2018 wurden drei LKW-Ladungen (also etwa 27 Kubikmeter) Sand, die ehemals Sandkästen auf Frankfurter Spielplätzen gefüllt hatten, auf einer der Flanken jenes großen Steinhaufens verteilt. Niederschläge (im Frühjahr gab es sie noch!) halfen, dass der Sand auch Hohlräume verfüllte und sich die Oberfläche des Haufens stabilisierte – ein neuer Lebensraum für Wildbienen und andere Insekten war entstanden.

Nicht zuletzt, weil der Haufen auch in direkter Nähe zu stehenden, teils temporären, teils dauerhaften Gewässern liegt und er von abwechslungsreicher, offener Vegetation umgeben wird, die auch alles benötigte Material für Nestbau und Überwinterung bietet, handelt es sich hier um Wildbienen-Lebensraum von gehobener Qualität, um ein Insektenhotel der Business Class. Denn was außer Business Class könnten wir uns sonst auch erlauben, den Insekten anzubieten? Immerhin ist es ja gerade in unserem Interesse, dass sie geschäftig sind – und ihre Ökosystemdienstleister-Rolle erfüllen. Denn in Hinblick auf ihre Bestäubertätigkeit gilt weiterhin (wenngleich leicht abgewandelt) das Bonmot Heinz Erhards: Sehr verehrte Wilde Bienen! Wir Verbraucher danken Ihnen!

…und zwar danken wir mit einer neuen Heimstatt.



 

 

 

 



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